The Last of Us: Part 2 ist sieben Jahre nach Release des Erstlings endlich für die PlayStation 4 erschienen und muss sich nun einerseits gegenüber der Erwartungshaltung der Fans beweisen und auf der anderen am selbst gesetzten narrativen Maßstab des Vorgängers messen lassen.
Ein schwieriges Unterfangen, denn The Last of Us war eines der erfolgreichsten und beliebtesten Spiele der PlayStation 3-Ära. Es wurde nicht zuletzt aufgrund des Naughty Dog-typischen grafischen und technischen Feinschliffs gefeiert, sondern auch, weil es eine auf dem Papier beinahe schon klischeehafte, postapokalptische “Zombie-Geschichte” so erzählte, dass die emotionale Entwicklung der beiden Protagonisten Ellie und Joel in den eigentlichen Fokus rückte. Ob das auch ein zweites Mal geglückt ist, soll der folgende Test klären.
Dabei wollen wir weitestgehend spoilerfrei bleiben und somit keine handlungsrelevanten Details enthüllen. Gleichzeitig werden wir durchaus versuchen zumindest oberflächlich auf einige Story-Entwicklungen einzugehen, um die Kernthemen des Videospiels einigermaßen vermitteln zu können. Denn auch im Fall von The Last of Us: Part 2 gilt, dass unter der oberflächlichen Handlung mehr steckt, als man annehmen könnte.
Aber keine Sorge, es werden keine Wendungen vorweggenommen. Auch diejenigen, die den Titel noch nicht gespielt haben, können dieses Review lesen.
The Last of Us: Part 2 ist ein brutales Spiel. Es ist ein mitunter hoffnungsloses und überforderndes Spiel. Machen wir uns nichts vor, das ist vermutlich eine der ernüchterndsten Einleitungen, die ich jemals geschrieben habe. Aber sie transportiert gleichzeitig einen ungemein wichtigen Punkt. In Zeiten, in denen ein gewisses Maß an Optimismus dafür Sorge tragen könnte, dass wir etwas unbedarfter durch die Einschränkungen des Lebens laufen, ist Naughty Dogs aktueller Titel das spielerische Äuivalent zu einem Schlag ins Gesicht.
Das mag nun tragischer klingen, als es tatsächlich ist. Denn die düstere Grundstimmung, die in immerhin gut 30 Stunden von einer dazu passenden Geschichte erzählt wird, ist nahezu perfekt eingefangen und wird hervorragend transportiert. Aber es ist eben kein Spiel für nebenbei, kein Gaming-Snack für Zwischendurch, der einen vom Alltag ablenkt. Stattdessen ist The Last of Us: Part 2 ein durchgängiger Schlag in die Magengrube.
Von alten und neuen Bekannten
Wir treffen selbstverständlich auch im zweiten Teil Joel und Ellie wieder, die Protagonisten des ersten Teils, die es sich fünf Jahre nach den Ereignissen des Vorgängers in dem Städtchen Jackson gemütlich gemacht haben. Sieht man mal von der ständigen Bedrohung durch die Infizierten, zombieähnliche Wesen, ab, führen die Bewohner hier sogar ein halbwegs normales Leben. Allerdings schwebt die Vergangenheit im gleichen Maße über dem ungleichen Paar wie die Unsicherheit ob der Zukunft.
Entscheidungen, die Joel am Ende von The Last of Us für uns, für die Menschenheit, aber auch für die SpielerInnen getroffen hat, verfolgen nicht nur ihn, sondern auch Ellie. Welche Auswirkungen das haben kann, lernt man schon sehr früh im Spiel mit einem Paukenschlag, wenngleich im Laufe der gut dreißigstündigen Kampagne in Form von Rückblenden und Perspektivwechseln ein immer klareres Bild davon geschaffen wird, was wir – als Zuschauer im weitesten Sinne – zwischen den beiden Ablegern der Reihe verpasst haben.
Aber wir lernen nicht nur altbekannte neu, sondern auch generell neue Charaktere kennen. Egal ob das Dina ist, die im Rahmen eines der ersten Trailer vorgestellt wurde, Jesse, Lev oder Abby. Die Riege der DastellerInnen wird erweitert und somit eine ausgeweitete und doch intime Geschichte erzählt, die von Anfang bis Ende unter die Haut geht. Ja, es geht in The Last of Us: Part 2 um Rache. Ja, es geht um Ellie, die Jackson verlässt, auf der Suche nach einer ganz bestimmten Person. Aber es geht gleichzeitig um so viel mehr.
Zwischen Liebe und Hass
Denn ja, auch die Liebe ist ein fester Bestandteil der Handlung. Und damit knüpft man unter anderem direkt an den ersten Teil an. Naughty Dog erzählt uns eine Geschichte, die einerseits niemals außer den Augen verliert, was den Erstling seinerzeit definierte. Aber die erweitern das Charaktergeflecht stimmig um neue Perspektiven und stellen die Entwicklung der Figuren in den Vordergrund. Am Ende des Spiels ist niemand mehr der, der er oder sie am Anfang war. Und wir als SpielerInnen sind das ebenso wenig.
Viel mehr möchte ich an dieser Stelle nicht verraten, da jedes weitere Wort die enorme Wucht der Narrative konterkarieren könnte. Aber die Entwickler schaffen es mit nahezu meisterhafter Sicherheit uns gleichzeitig das zu geben, was wir wollen. Und uns das zu nehmen, was wir zu glauben brauchen.
Zurück bleibt oft ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit. Auf jeden Fall aber eines der Anspannung, da man uns so oft den sprichwörtlichen Boden unter den Füßen wegzuziehen vermag.
Eine fantastische Inszenierung
Dass das klappt, liegt vor allem auch an der fantastischen Leistung der SchauspielerInnen und SynchronsprecherInnen. Die Charaktermodelle sind bis ins letzte Detail ausgearbeitet und agieren natürlich und realistisch auf unseren heimischen Fernsehern. Auf einer rein technischen Ebene ist das brillant. Nicht nur, dass die Animationen mit zu den besten dieser Konsolengeneration gehören, auch die Mimiken und Gestiken der Charaktere sind auf höchstem Niveau angesiedelt.
Egal ob es ein Stirnrunzeln, ein unbeabsichtigter Biss auf die Unterlippe oder der gehetzte Ausdruck in den Augen ist, die Details und die Natürlichkeit hinter diesen Bewegungen und Bildern ist das Beste, das ich bis dato in einem Videospiel gesehen habe. Dabei übertrumpft man sogar Hideo Kojimas Death Stranding mühelos, das ja ebenfalls für seine fantastischen Motion Capturing-Aufnahmen bekannt ist.
Getragen wird das auch von wiederkehrenden Sprechern wie Annette Potemba als junge Ellie oder Carlos Lobo als Joel. Das sollte natürlich gerade Fans des ersten Teils freuen, sie leisten aber auch unabhängig davon einen tollen Job. Ohnehin ist die deutsche Synchronisation herausragend, wenngleich manche Unterschiede in der Lautstärke mich doch gestört haben. Und im direkten Vergleich zieht sie gegenüber der englischen Fassung den Kürzeren. Was Troy Baker, Ashley Johnson und Laura Bailey abliefern ist schlichtweg beeindruckend.
Erweitertes Gameplay
Grundsätzlich bleibt im Bezug auf das Gameplay das Meiste beim Alten. Wer The Last of Us gespielt hat, wird sich auch in Part 2 zurechtfinden. Aber im Vergleich zu Joel ist Ellie, welche nun die meiste Zeit gespielt wird, wendiger und sportlicher. Sprünge über Abgründe sind nun genauso drin, wie ein flexiblerer Umgang mit Höhen. Die meisten Gebiete haben mehrere Ebene und bieten somit mehr Vertikalität als der Vorgänger.
Da auch The Last of Us: Part 2 viel wert auf Stealth-Gameplay legt, also das heimliche Ausschalten von Gegnern, sorgt gerade diese Vertikalität für mehr Abwechslung in den Gefechten. Dank Ellies erweitertem Moveset kann man sich zudem noch wirkungsvoller in hohem Gras verstecken. Außerdem duckt sie sich auf Knopfdruck oder legt sich auf den Bauch. So können wir uns auch kriechend fortbewegen, um uns an die Gegner an- oder um sie herum zu schleichen.
Während man Munition in der Spielwelt versteckt findet, können diverse Hilfsmittel aus einem rudimentären Crafting-Menü heraus erstellt werden. Die Materialien sind nicht zu knapp, gleichzeitig aber limitiert genug, damit man nur selten in die Versuchung kommt, aus allen Rohren feuernd durch die Levelabschnitte zu kommen.
Unterschiedlicher könnten die Feinde nicht sein
Neben den Infizierten, also vom Cordyzeps-Pilz befallenen Menschen, die um drei weitere, furchterregende Varianten erweitert wurden, treffen wir im Laufe des Spiels noch auf Mensch gebliebene Gegner zweier unterschiedlicher Fraktionen. Und diese könnten unterschiedlicher nicht sein. Während wir auf der einen Seite die WLF haben, eine paramilitärische Organisation, die um Land und Leben kämpft, stehen auf der anderen die Seraphiten. Dabei handelt es sich um einen religiösen Kult.
Für alle Gegnertypen sollte man unterschiedliche Herangehensweisen berücksichtigen. So sind die Clicker, deren Gesichter vom Pilz überwuchert wurden, weitestgehend blind, haben aber ein besonders gutes Gehör. Die WLF, auch Wolves genannt, sind häufig in Begleitung von Hunden unterwegs, die Ellies Fährte wittern können. Diese müsst ihr ablenken, wenn ihr die Tiere nicht erschießen wollt. Und die Seraphiten verständigen sich durch Pfeifgeräusche, mit denen sie sich gegenseitig alarmieren oder auf Entdeckungen hinweisen. Doch egal wie die Begegnung auch ausfallen mag, sie sind situativ immer spannend.
Dabei helfen auch die unterschiedlichen Fähigkeiten, die sich im Laufe des Spiels verbessern lassen, so wie eine Vielzahl an Waffen und anderen Hilfsmitteln. Langeweile kommt keine auf.
Ein audiovisuelles Meisterwerk
Grafisch ist The Last of Us: Part 2 über alle Zweifel erhaben. Zwar läuft das Spiel selbst auf der PlayStation 4 Pro nur mit 30 fps, aber diese bleiben immerhin jederzeit stabil und bis auf wenige, minimale Grafikbugs gibt es nichts zu mäkeln. Stattdessen sind die Spielumgebungen so detailverliebt ausgeschmückt, dass es eine wahre Freude ist, diese bis in den letzten Winkel zu erkunden. Die Beleuchtung der einzelnen Areale ist beeindruckend und die Texturschärfe hervorragend. Auch die Ladezeiten sind im Fall eines Ablebens überraschend kurz.
Auf der rein technischen und grafischen Ebene haben Naughty Dog ein absolutes Kunststück erschaffen, bei dem einem häufiger die Kinnlade herunter klappt. Aber auch der Sound ist fantastisch. Das Ächzen der Balken, das Wiegen der Bäume im Wind oder das Rufen vereinzelter Gegner im Hintergrund; all das setzt sich zu einem jederzeit stimmigen Klangbild zusammen. Nimmt man da noch das unerträgliche Geschrei der Infizierten hinzu kommt eine Spannung und Immersion auf, die ihresgleichen sucht. Gerade mit einem ordentlichen Headset oder einer guten Anlage, wird man mit dem Titel auf eine audiovisuelle Achterbahnfahrt mitgenommen.
Ein Musterbeispiel für Barrierefreiheit
Etwas, das noch Erwähnung finden muss, ehe wir zum Abschluss dieses Reviews kommen, sind die zahlreichen Optionen. So finden sich diverse Einstellungsmöglichkeiten wie Text-to-Speech oder ein eigenständiger Darstellungsmodus, dank dem selbst Menschen mit unterschiedlich stark ausgeprägten Sehbehinderungen The Last of Us: Part 2 spielen können.
Daneben lässt sich selbstverständlich auch die Steuerung anpassen und auch der Schwierigkeitsgrad ist nicht in Stein gemeißelt. Entweder man wählt aus verschiedenen Vorgaben einen aus, oder passt ihn nach eigenen Wünschen an. So kann die Gefährlichkeit der Gegner minimiert oder die Anzahl der auffindbaren Ressourcen erhöht werden. Was Naughty Dog hier abliefert, sollte neuer Industriestandard werden. Nicht mehr und nicht weniger.
Fazit
Ich hätte noch zigtausend weitere Worte zu The Last of Us: Part 2 schreiben können. Aber es ist ein Titel, den man selbst erleben sollte. Nicht nur weil Naughty Dog wirklich alles getan hat, um das Gameplay-Gerüst in wirklich allen Belangen zu verbessern, sondern auch weil die Story der eingangs erwähnte Schlag ins Gesicht ist.
Oder eher Magengrube vielleicht. Denn die Handlung ist komplex und für einen Triple A-Titel erstaunlich fordernd. Wir als SpielerInnen werden mit unserer eigenen Erwartungshaltung konfrontiert. Und wir werden gleichzeitig doch an die Hand genommen, denn dies ist nicht unsere Geschichte. Zumindest nicht in dem Maße, dass wir sie tatsächlich beeinflussen können. Viel zu oft bleiben wir machtlos zurück und müssen zusehen, wie Figuren, für die wir Sympathien hegen, Dinge tun, die wir nicht tun würden.
Aber daraus entsteht eben auch jenes Gefühl, mit dem wir am Ende auf den Abspann starrend zurückgelassen werden. The Last of Us: Part 2 ist eine Wucht, ein unperfektes Meisterwerk. Es ist auf jeden Fall eines der besten Spiele dieser Generation. Es ist auch gleichzeitig die wohl intensivste und beste Spielerfahrung meines Lebens. Hut ab, Naughty Dog!
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9.5/10
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10/10
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Zusammenfassung
The Last of Us: Part 2 ist ein mutiges Sequel zu einem der besten Spiele der letzten Konsolengeneration. Und auch wenn nicht jeder etwas mit der Handlung anfangen können wird, ist der Weg zum Ende und darüber hinaus schlichtweg brillant. Part 2 ist eine der besten Spielerfahrungen dieser Konsolengeneration.
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