23. November 2024

The Suicide of Rachel Foster – Das GameWire-Review

Der ein oder andere nutzt die Genre-Bezeichnung “Walking Simulator” gerne mal als Schimpfwort. Zu Unrecht, wie beispielsweise What Remains of Edith Finch, Gone Home oder auch Firewatch in der Vergangenheit bewiesen haben. Diese Spiele zeichnen sich meist, durch zwar rudimentäre Gameplay-Mechaniken aus, die aber von einer starken Narrativen gestützt werden. Diesen Weg beschreiten nun auch die Entwickler von One-O-One Games und Daedalic Entertainment und bringen uns mit The Suicide of Rachel Foster einen besonders düsteren Thriller über Vergangenheitsbewältigung und Einsamkeit. Ob der Titel überzeugen kann, wollen wir folgend klären.

Eine Reise in die 90er

Protagonistin Nicole begibt sich im Jahr 1993 und kurz nach dem Tod ihrer Eltern auf den Weg in das familieneigene Timberline Motel, in dem sich vor vielen Jahren tragische Ereignisse abspielten. Es ist der letzte Wunsch ihrer Mutter, dass sie das Anwesen verkauft und das Geld an die Angehörigen der verstorbenen Rachel Foster auszahlt, die sich damals selbst das Leben nahm, nachdem eine Affäre zwischen dem sechzehnjährigen Mädchen und Nicoles Vater ans Licht gekommen war. Sie selbst verließ gemeinsam mit ihrer Mutter das Hotel und schaute nie wieder zurück.

Dementsprechend unwohl fühlt sich die junge Frau, als sie die schneebedeckten Straßen hinauf in die Berge fährt, um sich dort mit ihrem Anwalt zu treffen, der in ihrem Auftrag den Verkauf über die Bühne bringen soll. Sie möchte nicht länger als unbedingt nötig an diesem verlassenen Ort bleiben, der ihr nur Unglück gebracht hat. Doch natürlich meint es das Schicksal nicht so gut mit ihr. Denn einmal angekommen, zieht ein Schneesturm auf, der die Ankunft des Anwalts verzögert und ihre Abreise in Gefahr bringt. Während sie durch ihr altes Jugendzimmer streift, klingelt plötzlich ein klobiges, seltsames Mobiltelefon.

Am anderen Ende meldet sich ein junger Mann namens Irving, der für den örtlichen Katastrophenschutz FEMA arbeitet und Nicole erklärt, dass sie sofort abreisen muss, wenn nicht für unbestimmte Zeit in dem Hotel bleiben möchte. Doch das Gitter der garage ist vereist und ihr Autoschlüssel ist nicht mehr auffindbar. Hat sie ihn lediglich verlegt, oder hat ihn jemand genommen? Nein, sie ist ja alleine in dem Mahnmal ihrer Familiengeschichte. Oder etwa nicht?

All work…

Nach diesem Einstieg, der die ersten fünzehn Minuten der auf ca. zweieinhalb bis drei Stunden begrenzten Handlung erzählt, übernehmen wir dauerhaft die Kontrolle über Nicole, die sich durch die verlassenen Flure des Hotels bewegt und sich Stück für Stück mit ihrer eigenen Vergangenheit und dem späten Leben ihres entfremdeten Vaters auseinandersetzt. Dabei bleibt Irving für sie in ständiger Erreichbarkeit. Der selbsternannte Workaholic möchte die junge Frau nicht alleine lassen. Und so sind es vor allem die immer wiederkehrenden Gespräche zwischen den beiden, die den Hauptreiz des Spiels ausmachen. Es sind zwei grundlegende Menschen, die sich kennenlernen und eine Beziehung zueinander aufbauen. Mal witzig, mal schnippisch, mal empört. Die Antworten können manchmal sogar direkt gewählt werden. Das hat zwar keine Auswirkungen auf die Handlung, wohl aber auf den Verlauf des Gesprächs.

The Suicide of Rachel Foster Review Phone

Ja, die Handlung des Titels ist äußerst stark und motiviert zum Weiterspielen, während das Gameplay selbst weitestgehend auf der Strecke bleibt. Es gibt in The Suicide of Rachel Foster keinerlei Rätsel zu lösen oder Gefahren zu überstehen. Es gibt kein Game Over, keinen Frust bei besonders kniffligen Passagen. Stattdessen bewegt man Nicole lediglich durch die toll designten Umgebungen und leeren Flure und Zimmer des Timberline Motels. Manchmal muss man mit Gegenständen interagieren, um die Handlung voranzutreiben. Und noch viel seltener muss man die Gegenstände erst einmal finden. Das ist weder besonders knifflig, noch herausfordernd, aber das – wenngleich sehr träge – bewegen durch das verwinkelte Anwesen sorgt für eine eigene Art der (An-)Spannung. In manchen Situationen werden durchaus Erinnerungen an Kubicks The Shining wach.

… and no play…

Nur ab und an gibt einem das Spiel auch mal Gegenstände in die Hand, die man dann dauerhaft im Inventar findet. Diese könnten nun zwar theoretisch immer wieder genutzt werden, das verlangt das Spiel aber erst gar nicht. Das Licht der Taschenlampe braucht man beispielsweise nur für die Dauer eines Stromausfalls, danach wird es nutzlos. Das ist schade, da man hier das Gameplay auch über die gesamte Spielzeit hätte aufwerten können, stört aber unterm Strich kaum und kann als “verpasste Chance” abgehakt werden.

Technisch gibt sich der Titel indes keine Blöße. Die Texturen sind scharf und auf generell guten Niveau, gleiches gilt für die verschiedenen Objekte und deren Detailgrad. The Suicide of Rachel Foster ist grafisch kein Meisterwerk, aber eben auf sehr gutem Niveau. Vor allem die Licht- und Schatten-Spielereien sind besonders gut gelungen.

Gleiches gilt für die (leider nur) englische Sprachausgabe. Die Sprecher leisten einen hervorragenden Job und füllen die gesichtslosen Figuren mit Leben. Gerade wenn man bedenkt, dass man Nicole aus der Ego-Perspektive spielt und man Irving nur durch seine Stimme kennenlernen kann, funktioniert das Zusammenspiel der beiden richtig toll. Ohnehin sollte man den Ratschlag der Entwickler berücksichtigen und den Titel mit Kopfhörern spielen. Das Sounddesign und die vermeintliche Nähe der Gesprächspartner kommen hier besonders gut zur Geltung.

The Suicide of Rachel Foster Review Interior

Fazit

The Suicide of Rachel Foster ist vor allem für Fans von Firewatch oder auch What Remains of Edith Finch interessant. Zwar erreicht der Titel nie ganz die Klasse der beiden genannten, erzählt aber eine spannende Geschichte rund um Selbstmord und welche Auswirkungen das auf die Beteiligten haben kann. Teilweise geradezu unerträglich spannend, aber immer mit einer Prise Humor gespickt ist den Entwicklern ein rundum toller Beitrag zum Genre Walking Simulator gelungen.

  • 7.5/10
    Gameplay - 7.5/10
  • 8.5/10
    Sound - 8.5/10
  • 8/10
    Grafik - 8/10
  • 7/10
    Steuerung - 7/10
7.8/10

Summary

The Suicide of Rachel Foster ist ein toller Mystery-Thriller, dessen Handlung sich langsam entfaltet, aber dann spannend bis zum Finale bleibt. Gerade die Gspräche zwischen Nicole und Irving zählen zu den absoluten Highlights des Titels.