Soulslike. Lassen wir uns diesen Begriff für einen Moment Mal auf der Zunge zergehen. Ein Sub-Genre, welches durch den immensen Erfolg der Dark Souls-Reihe aus dem Hause From Software das Licht der Welt erblickte und nunmehr seit gut einer Dekade ein fester Bestandteil der Industrie ist. Kopien gibt es einige, doch nur die allerwenigsten taugen auch wirklich etwas. Ein Titel, der sich hinter seinem Vorbild absolut nicht zu verstecken braucht und hier und da sogar daran vorbeigezogen ist, ist das von Team Ninja im Jahr 2017 veröffentlichte Nioh: William, ein Mann aus dem Westen, der zu einem legendären Samurai wird und gegen urgewaltige Yokai, Dämonen aus dem japanischen Volksglauben, kämpft. Ein Rezept, welches sich mehr als nur richtig anfühlte. Und nun feiert der Marvel Ultimate Alliance 3-Entwickler mit Nioh 2 die Rückkehr dieses Vorzeige-Soulslike. Unser Review leuchtet auch in die dunkelsten Ecken des PS4-Exklusivtitels.
Anders als das Vorbild, Dark Souls, arbeitet Nioh stets mit einer sehr direkt erzählten Geschichte und gerne auch mit Cutscenes und Dialogen, die mehr als die mystische Szenerie unterstützen. Nicht falsch verstehen, auch die subtile Art der Narrative hat etwas für sich. Nioh geht hier nur einen eigenen Weg und sorgte dafür vor gut 3 Jahren mit einem erfrischenden Blick auf das Genre. Die Geschichte um den englischen Samurai, William Adams, wird in Nioh 2 jedoch nicht direkt weitererzählt. So versteht sich der Nachfolger als ein Prequel, indem eine eigene Figur erstellt werden muss. Halb Mensch, halb Yokai und somit mit den Vor- und Nachteilen beider Völker gesegnet, offenbart sich dem/der Protagonisten/in eine mysteriöse Welt, in der Scharen dieser gefährlichen, japanischen Fabelwesen auf die Welt hereinbrechen und alles Irdische bedrohen.
Sich seiner selbst noch nicht vollends bewusst, ist unser/e Held/in mit den immensen Kräften, die die mystische Seite mit sich bringen, zunächst auch überfordert. Eine Reise durch die japanische Mythologie beginnt und legt offen, dass Menschen und Yokai sich in ihrem Hang zur Brutalität und Zwielicht nicht immer so sehr voneinander unterscheiden.
Das Spiel beginnt, ganz wie das Vorbild, in einem Charakter-Editor. Neben dem Geschlecht des Charakters können hier unterschiedlichste physische Merkmale angepasst werden. Kopfform, Nasenflügel, Augenfarbe, Frisur, Tattoos, Körperschmuck; alles ist erlaubt und möglich. Zusätzlich lassen sich hier auch die Yokai-Formen, die man im späteren Verlauf des Spiels nutzen kann, optisch aufwerten. Ob man nun die Hörnerformen anpasst oder die Haare in ein extremes Farbspektrum schubst; die Möglichkeiten zur Individualisierung sind enorm und zeigen zudem sehr deutlich, wie hochwertig die Charaktermodelle in Nioh 2 daherkommen.
Bevor das Spiel so richtig losgeht, können zudem zwei Waffen für den Start gewählt werden. Mit der Primär- und Sekundärwaffe im Gepäck geht es dann auch schon los. Wichtig für die Wahl der Waffen ist die bevorzugte Spielweise. Mit zwei Schwertern lässt es sich sehr offensiv und agil kämpfen, jedoch führen Angriffe wenig Schaden mit sich und lassen Gegner nur wenig straucheln, wohingegen ein Ōdachi zwar behäbig zu führen ist, dafür aber Gegner leichter aus der Balance bringt und ordentliche Hiebe verteilt. Eine Kombination aus einer schnellen und einer eher robusteren Waffe ist daher durchaus zu empfehlen, um möglichst schnell im Kampf auf die jeweiligen Anforderungen reagieren zu können.
Neben den beiden Nahkampfwaffen können zudem noch zwei Fernkampfwaffen, wie Bögen oder rudimentäre Schusswaffen mitgeführt werden. Um Waffen effektiv nutzen zu können ist jedoch eine gewisse Vertrautheit vonnöten. Nur wer eine Waffe für eine längere Zeit erfolgreich führt, wird sich an diese gewöhnen und den Umgang wirkungsvoller gestalten können. Somit wird man relativ schnell in einen Kreislauf der stetigen Optimierung hineingezogen, da eines den Unterschied zwischen Dark Souls und Nioh ganz deutlich werden lässt: der Loot.
Nioh verfolgt hier einen ähnlichen Ansatz wie einschlägige Action RPGs und Hack’n’Slays und bietet das Equipment gleich in mehreren Wertigkeitsstufen an, die unter anderem farblich voneinander getrennt werden. Zudem können hochwertige Gegenstände insgesamt mehr Sondereffekte beinhalten, die dann beispielsweise die Ausdauerregeneration erhöhen oder die Verteidigung gegen ein bestimmtes Element verbessern. Auch hier gilt jedoch, jede neue Waffe muss zunächst einmal „warm werden“.
Nicht benötigte Gegenstände lassen sich dann an einem Schrein, die als Checkpoints fungieren, als Opfer darbringen, um mit dem Erlös im Kodama-Basar einzukaufen. Kodama, das sind kleine Geister der japanischen Folklore, die in den Missionsgebieten versteckt sind – wenn man sie denn findet – dem Charakter aktivierbare Bonuseffekte verleihen. Im Basar ersteht man dann jedoch keine Ausrüstung, sondern Verbrauchsgegenstände, wie etwa Heilelixiere.
Diese werden dann im Kampf auch bitter benötigt, denn wenn Nioh 2 eins ist, dann schwierig. Jeder Fehltritt oder Fehlschlag kostet wertvolle Ausdauer. Ausdauer, die dann für Ausweichmanöver oder Paraden fehlt. Wie jeder Gegner im Spiel verfügt auch der/die Held/in über eine Balance, die aufrechterhalten werden möchte. Ist diese nicht gegeben, wird man anfällig für Angriffe und steht quasi schon mit einem Bein im Totenreich.
Segnet man das zeitliche, wird man zum letzten Schrein zurück gebracht, den man aufgesucht hatte. Vorräte, wie etwa verbrauche Shuriken, werden hier wieder aufgefüllt, jedoch geht das gesamte gesammelte Amrita in diesem Moment verloren. Nun ja, fast verloren. Wie auch die Seelen in Dark Souls, verbleibt das gesammelte Amrita, welches zum Aufwerten der Attribute benötigt wird, an der Stelle des Ablebens. Schafft man es, ohne ein weiteres Mal zu sterben, sich wieder an diesen Ort zurück zu kämpfen, kann man seine wertvollen Erfahrungspunkte wieder einsammeln. Schafft man es nicht, kann man direkt etwas Tempo rausnehmen und sich in Ruhe wieder durch das Gebiet kämpfen. Das wertvolle Amrita ist dann ohnehin verschwunden.
Das Level-Up des Charakters basiert jedoch nicht nur auf Amrita. Natürlich spielt auch das Equipment eine wichtige Rolle, jedoch ist auch die Nutzung verschiedener Techniken und Waffen wegweisend. Nur wer sich ausgewogen um sein Repertoire kümmert, kann dann auf dem Fähigkeitenbrett des jeweiligen Themas Punkte investieren und so beispielsweise neue Schwerttechniken erlenen oder passive Boni aktivieren.
Nioh 2 ist dahingehend enorm umfangreich gestaltet und bietet viel Raum für die unterschiedlichsten Skillbuilds. Hier liegt Potenzial für mehrere Durchläufe begraben, die durch den integrierten New Game Plus Modus auch ohne Weiteres möglich sind. In diesem werden sämtliche Gegner nochmal härter, jedoch lässt sich auch das passende Equipment für diese Herausforderung finden.
Der Kampf selbst ist ähnlich agil und herausfordernd wie in Dark Souls gestaltet. So lassen sich unterschiedliche Haltungen einnehmen, die dann beispielsweise die Schnelligkeit erhöhen und dafür aber den ausgeteilten Schaden verringern oder die eigene Balance verbessern und dafür etwas Tempo rausnehmen. Die japanische Waffenkunst ist eine besonders ästhetische und wird hier in vollen Umfang präsentiert.
Garniert wird der Kampf mit den Yokai-Fähigkeiten, die auf unterschiedlichen Yokai basieren und durch das Erlegen von ebensolchen Feinden stetig erweitert wird. Mit Seelenkernen können so neue Fähigkeiten eingestimmt werden, die – je nach Kapazität – Platz finden. Machtvolle Tornado-Wirbel oder weitreichende Schwungangriffe sind das Ergebnis. Um die Fähigkeiten aktivieren zu können müssen besagte Seelenkerne zunächst, ohne zu sterben, zu einem Schrein gebracht und gereinigt werden.
Alles in Allem kann das Gameplay als eine konsequente Weiterentwicklung des Vorgängers angesehen werden, welches sich mit vielen guten Ideen und einer enormen Komplexität vom Vorbild abhebt und Futter für viele, viele Stunden bietet. Und auch wenn es manchmal frustrierend sein kann, sich mit dem extrem hohen Schwierigkeitsgrad herumzuschlagen, das Besiegen eines Bosses oder das Abschließen einer Mission hat sich noch nie so gut angefühlt.
Und wo wir schon bei guten Dingen sind. Nioh 2 ist, wie auch schon der erste Teil, eine audiovisuelle Krönung für die PS4-Gemeinde. Vor allem die detaillierten Charaktermodelle und Gesichtsanimationen zeigen deutlich die Stärken des Entwicklerstudios Team Ninja, welches in der Vergangenheit bereits mit Titeln wie beispielsweise Dead or Alive eben genau in diesen Bereichen hohe Standards etablierte. Und wenn auch die Areale sehr stimmungsvoll ausgeleuchtet und dekoriert wurden, fällt es hier und da dennoch auf, dass beispielsweise Interior-Objekte gern häufiger verwendet wurden und Texturen nicht überall die oberste Priorität bei der Ausgestaltung waren.
Die sehr seichten Melodien, die den Hintergrund begleiten, drängen sich nie in den Vordergrund und unterstützen die zumeist sehr trübe Szenerie. Geht es in Bosskämpfen dann doch ans Eingemachte, schlagen sich das Ambiente und rasante Themen ab und bauen so die dramatische Spannung mit weiter auf. Und auch wenn das Ganze alles gut zusammenpasst, vermissen wir doch irgendwie die Ohrwurm-Garanten aus dem ersten Teil.
Jetzt ist es schon ein Jahr her, dass wir ein wirklich großes und relevantes Soulslike spendiert bekommen hatten. Im März 2019 zeigte Dark Souls-Entwickler From Software, dass auch sie in der Lage sind, ihr etabliertes Rezept aufzufrischen. Visuell orientierte sich der Titel deutlich mehr an der Ästhetik eines Nioh, sodass die Wartezeit für Fans des Team Ninja-Pendants durchaus verkürzt wurde. Und was soll ich sagen? Das lange Warten hat sich mehr als gelohnt. Der Titel ist schnell, sieht unfassbar gut aus, breitet eine riesige Spielwelt vor einem aus und ist ungeheuerlich belohnend. Wer sich an der erhöhten Komplexität nicht stört, bekommt hier ein Meisterwerk für die PS4.
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Summary
Nioh 2 ist ein rasantes Action-RPG welches sich durch eine enorme Komplexität und einen hohen, aber belohnenden Schwierigkeitsgrad auszeichnet. Unbedingt ansehen!
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